Fünfte Woche Onlinekurs Achtsamkeit | mbsr: Was unsere Gedanken aus der Welt machen
Wie wir schon in der letzten Woche festgestellt haben, produzieren wir im Raum hinter unserer Stirn aktiv Stress. Der Psychologe Richard Lazarus stellte in seiner Forschungsarbeit fest, dass das, was der Einzelne auf einen Stressreiz hin erlebt, stark davon abhängt, wie das Gehirn den Reiz interpretiert. So geht zum Beispiel jemand nachts spazieren, sieht in einiger Entfernung eine Schlange über den Weg kriechen und tritt darauf hin schnell den Rückzug an. Am nächsten Tag läuft er wieder diesen Weg entlang und kommt an die bewusste Stelle. Dort stellt er fest, dass die „Schlange“ ein dürrer, abgebrochener Ast ist. Erst seine Gedanken und die damit einher gehende Bewertung haben aus dem Holz eine Schlange gemacht. „Gefährlich“ wurde der Stock also erst, als der Spaziergänger seine subjektive Interpretation in das Geschehen einbrachte. Angst kam hinzu. Eine schnelle Flucht anzutreten, war dann logisch und konsequent.
Uralte Instinkte bestimmen unsere Reaktion
Auch in diesem Fall haben evolutions-psychologisch uralte Instinkte gegriffen. Mit dem Ziel, vor einer möglichen Gefahr zu schützen. Insofern ist an der beschriebenen Reaktion also alles normal. Kritisch werden unsere Interpretationen und Bewertungen erst dann, wenn wir sie im Zusammenhang mit einer anderen Forschungserkenntnis betrachten. Dass wir nämlich keinesfalls unvoreingenommen oder neutral interpretieren. Wir sind ganz im Gegenteil deutlich kritisch voreingestellt. Die Forschung spricht hier von einem „negativen Bias“ (= Vorurteil). Das bedeutet, wir vermuten erst einmal das Schlechtere und Unangenehmere. Vor die Wahl gestellt, den Umriss auf dem Waldweg wahlweise als einen Ast oder als eine Schlange zu deuten, bevorzugen die meisten Menschenalso die Schlange. Das macht auf gewisse Weise Sinn, denn sicher ist nun mal sicher.
„Unbekannt“ ist erstmal „schlecht“
Dummerweise beeinflusst diese negative Voreingenommenheit aber nicht nur eine nächtliche „Schlangenbegegnung“, sondern potenziell alle verdächtigen Begegnungen und Ereignisse. Wir tendieren zur negativen Seite. Und schon kann sich ein gerade noch neutraler Anlass in Stress verwandeln. Wie der Stock in meinen Gedanken zur Schlange wird, so wird das bevorstehende Gespräch mit dem Vorgesetzten zu einer vermuteten Kritik an meiner Arbeit.
Die populäre Kurzgeschichte von Paul Watzlawick, „Die Geschichte mit dem Hammer“[1], zeigt wie weit der Irrsinn dieses Mechanismus führen kann: Lassen wir unseren Gedanken nur genügend Zeit und Raum, dann spinnen diese um einen an sich harmlosen Anlass herum eine „Horrorgeschichte“. Diese hat mit der Realität dann kaum mehr etwas zu tun.
[1] Paul Watzlawick, Anleitung zum unglücklich sein. Die Geschichte beschreibt, wie ein Mann sich Kraft seiner Gedanken in eine absurde Situation hinein steigert.
Gedanken beobachten macht frei
Um so wichtiger ist es, dass wir lernen, unsere Gedanken zu beobachten. Wenn es uns gelingt, präsent zu sein und zwischen Reiz und Reaktion aufmerksam das Geschehen zu beobachten, gewinnen wir Raum. Der negative Gedanke kann sich nicht mehr automatisch fortentwickeln, wie er es vielleicht schon 1000 mal getan hat. Während wir uns normalerweise dem nie versiegenden Gedankenstrom in unserem Kopf überlassen, beginnen wir also nun zu beobachten. Der Raum, das heißt, der Abstand zum Geschehen, der sich bildet, wenn wir beobachten, wird anfangs eher als ein kleiner Spalt empfunden. Aber mit der Zeit und entsprechender Routine gelingt es uns, immer früher wahrzunehmen, wann Stress sich in uns aufbaut und uns vereinnahmen will. Die Identifikation mit dem Geschehen kann so Stück um Stück abgebaut werden.
Um immer früher zu erkennen, was in uns vorgeht, üben wir in Bodyscan, Meditation und Yoga, präsent zu sein; dabei zu sein und ausschließlich zu beobachten, ohne zu werten, uns zu ärgern oder auch zu freuen. Wie ein Beobachter, der mit dem Geschehen eigentlich nichts zu tun hat, spüren wir dann in einem Stress-Anfall unseren Wahrnehmungen nach. Der „Kopf“ hat dabei Pause: Wir denken nicht, wir analysieren nicht und wir suchen nicht nach einer Lösung [2]. Wir nehmen damit die Tatsache ernst, dass Gedanken nur Gedanken, und Gefühle nur Gefühle sind. Sie repräsentieren nicht die Wirklichkeit oder gar die Wahrheit unseres Lebens. Wie sehr wir in der Regel per Gedanken und Gefühle unsere so genannte Wirklichkeit konstruieren, belegen die jüngeren Erkenntnisse der Neurowissenschaften und der Bewusstseinsforschung.
Freiraum und Abstand entstehen
Wenn wir der oben skizzierten Übung folgen und sie zu einer guten Angewohnheit machen, stellen wir fest, dass sich die Identifikation mit den Gedanken lockert. Was vorher mein Gedanke war oder mein Gefühl, ist plötzlich nur noch ein Gedanke oder ein Gefühl. Ohne dass uns dadurch etwas fehlen würde, verlieren die Gedanken und Gefühle ihre absolute Herrschaft. Die meisten Menschen empfinden dies als einen großen Gewinn an Freiheit. Dieses Freiheitsgefühl ist nichts anderes als die emotionale Reaktion auf den oben beschriebenen sich öffnenden Raum, der entsteht, wenn wir beginnen, unser Stresserleben präsent zu beobachten. Der entstandene Raum selbst ist es, der es uns schließlich, mit einiger Übung, ermöglicht, aus unseren 1000 mal geübten Mustern auszubrechen.
Wo vorher nur eine einzige Reaktion möglich und üblich war, können wir plötzlich zwischen Alternativen wählen. Waren wir beispielsweise in der häuslichen Streitsituation stets auf Ärger programmiert, sehen wir uns plötzlich in die Lage versetzt, die Vorwürfe unseres Gegenübers auszuhalten, ohne in eine Verteidigungshaltung zu verfallen. In diesem Moment stellen wir fest: Wir haben zwar bestimmte Gedanken, aber wir sind nicht unsere Gedanken.
[2] Natürlich kann für bestimmte Situationen eine spätere Lösungssuche sehr wichtig oder sogar unerlässlich sein. Aber es ist kaum möglich, gleichzeitig zu beobachten und dabei geordnet nachzudenken.
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