Zu Beginn sollten hier eigentlich Zahlen sprechen. In der Art einer Bilanz für unser Land oder Europa oder am besten für die ganze Welt. Bilanziert würde: der Krebs. Doch alle, die sich beruflich damit beschäftigen oder aus persönlicher Betroffenheit damit auseinandersetzen müssen, wissen mehr als genug über die existenzielle Bedeutung und Tragweite einer Tumorerkrankung. Ich möchte die Aufmerksamkeit des Lesers auf etwas anderes richten. Auf etwas, das Mut macht – angesichts aus dem Ruder gelaufener zellulärer Verbände im Körper.
Wissenschaftlich drückt sich diese Hoffnung in solchen Begriffen aus wie Psychoneuroimunologie, Mind-Body-Medicine oder Psychosomatische Medizin. Diese Worte stehen für eine Tatsache, die in weiten Bereichen der westlichen Schulmedizin lange ignoriert wurde; dass nämlich der Geist (engl.: mind) positiv auf den Heilungs- und Abwehrprozess des Körpers (engl.: body) einwirkt.
An dieser Stelle geht es also nicht um die populären schulmedizinischen Methoden zur Behandlung von Tumoren – wie Bestrahlung, Chirurgie oder Chemotherapie. Der Wert solcher Therapieformen wird hier weder beurteilt noch bestritten, jede dieser Interventionen ist im Einzelfall differenziert zu betrachten. Und leider können diese klassischen Behandlungsverfahren uns keine Auskunft darüber geben, wie wir im Falle einer Erkrankung unsere eigene Psyche für die Gesundheit aktivieren können.
Gedanken und Gefühle wirken …
Die traditionelle Medizin bevorzugt in der Regel das technische Modell von der fehlerhaft arbeitenden Körpermaschine, wenn es um die Auseinandersetzung mit Tumorerkrankungen geht. Der medizinische Ingenieur (Arzt) hat die Aufgabe, diesen Apparat wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Meist ohne Mitwirkung des Patienten. Gesundheitsförderliche Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist kommen in diesem Modell kaum vor. Und das, obwohl doch jeder von uns weiß, dass das, was in seinem Kopf vorgeht, den Körper selten kalt lässt. Es genügt, sich ein besonders unangenehmes Erlebnis vorzustellen – einen Streit, eine Demütigung, eine Prüfung – und sofort reagiert der Körper; je nach Mensch und Situation mit Unwohlsein, Schwitzen oder Verspannung der Muskulatur, um einige klassische Körperreaktionen zu nennen. Bei Menschen mit einer ausgeprägten Angst vor Spinnen reicht die bloße Vorstellung eines solchen winzigen Lebewesens, um den ganzen Körper in den Panikmodus zu versetzen.
Es ist hilfreich, sich klarzumachen, dass die gerade beschriebenen Reaktionen alleine im Kopf ausgelöst werden; dass sie also keine erlebte Realität benötigen, um in unserem Körpersystem massiv wirksam zu werden. Ähnliches gilt für Menschen mit starken Allergien. Schon eine Abbildung des Allergens (z.B. ein Bild von einer Birke) kann eine allergische Reaktion hervorrufen. Unsere bloße Vorstellung ist also imstande, eine solche Kraft zu entfalten, dass der Körper schlicht davon mitgerissen wird.
… und unterstützen den Körper
Zu unserem Vorteil klappt das auch anders herum. Angenehme, positiv belegte Vorstellungen können unsere Gesundheit unterstützen. Wer sich zum Beispiel in Gedanken an einen Ort versetzt, an dem er sich absolut wohl, geborgen und geschützt fühlt, hat es schwer, sich unter diesen freundlichen Eindrücken nicht zu entspannen. Neuere Untersuchungen belegen: Wenn wir unsere Vorstellungskraft richtig einsetzen, und – wie oben beschrieben – eine Entspannungsreaktion im gesamten Körpersystem ermöglichen, dient das nicht nur der Beruhigung unseres Geistes oder ruft angenehme Gefühle hervor.
Vorstellung tut gut!
Wir dürfen mehr erwarten. Denn unsere Vorstellungskraft kommuniziert über komplexe Rückkopplungsvorgänge einerseits mit dem Nerven- und Hormonsystem. Aber auch die Imunabwehr wird massiv angesprochen und kann ihre Arbeit um so besser verrichten. Umgekehrt beeinträchtigt es unsere Körperabwehr, wenn wir häufig Stress empfinden. Gerade für Menschen mit einer bedrohlichen Erkrankung ist das eine wichtige Nachricht. Denn unter deren Eindruck entsteht oft Stress. Körper und Seele müssen dann eine Art Dauerspannung aushalten. Regenerativ wirkende Entspannung kann unsere gestresste Abwehr wieder ins Gleichgewicht bringen, und der Körper ist besser gerüstet für einen erfolgreichen Umgang mit der Krebserkrankung.
Doch wie bringen wir unsere Vorstellungskraft wirksam ins Spiel. Am einfachsten gelingt dies über eine Art meditativen Zustand. Dafür ist weder eine religiöse noch eine andere Art von spiritueller Orientierung vorauszusetzen. Es geht lediglich darum, im Geist geeignete Bilder entstehen zu lassen, die unsere inneren Ressourcen stimulieren. Aus der Hypnotherapie wissen wir, dass diese Bilder um so besser wirken, um so persönlicher sie sind. Sie sollten also möglichst stimmig sein für den Betroffenen und seiner eigenen Phantasie entspringen. Solche Bilder gemeinsam mit dem Klienten zu identifizieren und richtig einzusetzen, ist die Rolle eines aufmerksamen, psychologisch geschulten Begleiters.
Meditation kann die Behandlung ergänzen
Um dies umzusetzen, eignen sich sehr einfach gehaltene Meditationsmethoden, die schnell erlernt werden können. Aber auch komplexere Formen, die etwas mehr Aufwand bedeuten, können eingeübt werden. In jedem Fall sollte der Klient dazu imstande sein, die von ihm gewählte Meditation bald schon selbständig und ohne äußere Hilfe täglich durchzuführen.
Es wäre unseriös, das Mittel der Vorstellungskraft als eine Art Wundermittel anzupreisen. Aber in der Auseinandersetzung mit einer persönlichen schweren Erkrankung wäre es umgekehrt fahrlässig, über das große Potenzial zu schweigen. Der Einsatz der Vorstellungskraft bietet demjenigen eine kraftvolle Option, der seine Möglichkeiten ausschöpfen möchte.
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