Siebte Woche Onlinekurs mbsr: Kommunikation, nichts als Kommunikation
Niklas Luhmann, Soziologe und ein einflussreicher Denker des vergangenen Jahrhunderts, baute seine komplexen Überlegungen auf einen wichtigen Gedanken auf: dass nämlich unsere gesamte moderne Welt aus Kommunikation besteht. Paul Watzlawick bestätigt diese Erkenntnis von psychologischer Seite. Berühmt ist sein Satz: „Wir können nicht nicht kommunizieren“. Beide Wissenschaftler beschreiben eine wichtige Alltagserfahrung; dass Kommunikation etwas Grundlegendes ist. Egal, wo wir sind und was wir erleben, immer kommunizieren wir. Es müssen dazu keine Worte gewechselt werden. Denn auch wer nichts sagt, kommuniziert. Jegliches Verhalten kann von meinem Gegenüber (als Kommunikation) gedeutet werden. Dazu gehören Mimik, Gestik, Körperhaltung, Stimme und ebenso – unser Schweigen. Ob wir dabei immer richtig verstanden werden, bleibt allerdings offen.
Um aber sicher zu stellen, dass Kommunikation gelingt, dass wir also richtig gedeutet und verstanden werden von unserem Gegenüber, gibt es intelligente Strategien und Verhaltensweisen. Zwei davon sehen wir uns im Folgenden näher an.
1. Die Ich-Botschaft
Nehmen wir an, du willst Kritik äußern, aber möglichst konstruktiv und wenig verletzend. Dann bietet sich als Form für das, was gesagt werden muss, die so genannte Ich-Botschaft an. Statt im (anklagenden) Du- (oder Sie-) Stil zu kommunizieren. Zum Vergleich: Im Fall der Ich-Botschaft formuliere ich beispielsweise, dass meine Bedürfnisse verletzt wurden bzw. dass ich ein Problem habe, bedingt durch das Verhalten meines Gegenübers. Also etwa: „Ich kann meine Gedanken nicht klar darlegen, wenn ich immer wieder unterbrochen werde.“ Im Zentrum meiner Kommunikation steht also ein berechtigtes Bedürfnis meinerseits. Im zweiten Fall ( = Du-Botschaft) formuliere ich eine Anklage, z.B.: „Du unterbrichst mich ständig!“, und starte damit einen Frontalangriff.
Nun wissen manche Menschen um den Vorteil einer solchen intelligenten Kommunikationsweise im Sinne der Ich-Botschaft. Aber sie können ihr Wissen nicht wirksam umsetzen, weil Emotionen spontan die Regie übernehmen. Mit fortschreitender Übung in Achtsamkeit gelingt uns das aber leichter. Die über lange Jahre eingeschliffenen und oft wenig hilfreichen Kommunikationsmuster der Anklage zu durchbrechen und einen hilfreicheren Kommunikationsstil zu nutzen.
2. Gründe, Motive und Bedürfnisse austauschen
Es ist sinnvoll, in der Kommunikation die persönlichen Gründe, Bedürfnisse und Motive in Bezug auf eine bestimmte Sachlage offen zu benennen, statt lediglich eine konträre Position zu besetzen. Denn für mein Gegenüber ist mein Standpunkt oder meine Argumentation immer dann leicht nachzuvollziehen und zu würdigen, wenn ich transparent mache, warum ich etwas tue oder warum ich etwas nicht tue. So kann ich zum Beispiel sagen: „Ich möchte jetzt nicht mit dir reden“. Ich kann aber auch formulieren: „Ich möchte jetzt nicht mit dir reden, weil es mir im Moment schwer fällt, einen klaren Gedanken zu fassen“ (= begründen). Ebenso macht es einen Unterschied ob ich beispielsweise in einer Partnerschaft formuliere: „Ich möchte mehr Zeit für mich selbst haben“, oder ob ich sage: „Ich brauche mehr Zeit für mich selbst, weil ich sonst den Stress nicht verarbeiten kann, den ich zur Zeit bei der Arbeit habe“ (= Bedürfnis formulieren). Diesen Unterschied in der Kommunikation zu beachten, mag dem einen oder anderen Leser selbstverständlich erscheinen. In der Praxis wird dieses Wissen aber oft vernachlässigt. Umso mehr, umso hitziger und unangenehmer die Gesprächsatmosphäre gerade ist. Gerade in einer angespannten Situation kann es aber helfen, das Eis zu brechen, wenn ich mich öffne. Indem ich das Motiv oder den Grund für mein zunächst vielleicht (noch) unverständliches Verhalten transparent mache.
Präsente [= achtsame] Kommunikation
Wir trainieren in unserem mbsr-Kurs präsent und achtsam zu sein. Das hat langfristig erheblichen Einfluss auf die Kommunikation.
1. Wir „sehen“ den anderen klarer
Achtsam zu kommunizieren heißt, ähnlich wie wir es in der Meditation üben, wach und aufmerksam wahrzunehmen, was gerade geschieht. Kommunizieren wir in dieser Haltung, dann fällt uns zum Beispiel auf, dass unser Gegenüber gerade betont, dass es ihm gut geht – dass seine Stimme aber das genaue Gegenteil ausdrückt. Nur wenn wir dies präsent wahrnehmen, können wir auch darauf reagieren. Übersehen oder überhören wir solche Signale, dann kommunizieren wir unscharf, ungenau und im ungünstigsten Fall bedeutungslos. Wir kommunizieren am anderen vorbei, weil wir ihn nicht wirklich wahrnehmen. Umgekehrt gilt: Wer achtsam kommuniziert, lernt den anderen zu sehen, wie er oder sie sich im Moment wirklich zeigt.
2. Wir nehmen uns selbst besser wahr beim Zuhören
Achtsame Kommunikation erschöpft sich nicht darin, mein Gegenüber möglichst gut wahrzunehmen. Ebenso achten wir darauf, dass wir während der Kommunikation auch unsere eigenen aufkommenden Gefühle und Gedanken wahrnehmen. So nutzen wir unsere Verbundenheit mit der inneren Stimme. Während wir früher vielleicht im Gespräch mit dem Partner ein inneres Unbehagen überhört haben und zu Dingen ja sagten, die wir so eigentlich nicht akzeptieren können, gelingt es uns im Modus der Präsenz eher, klar und offen zu kommunizieren, was wir wirklich fühlen und denken. So wird unsere Kommunikation zunehmend authentischer, echter und ehrlicher. Statt sich in Fassaden und Missverständnissen zu verlieren.
Wenn wir darauf achten möchten, uns im Gespräch selbst nicht aus den Augen zu verlieren, bedeutet das in der Praxis, dass wir stets einen Teil unserer Aufmerksamkeit für uns selbst reservieren. Dies bedarf einiger Übung und gelingt am besten, indem wir, während wir kommunizieren, quasi aus dem inneren Augenwinkel heraus, unseren Atem wahrnehmen. Mit etwas Übung werden uns dabei automatisch unsere Gedanken und Gefühle präsent. Natürlich werden wir diese Verbindung nicht ständig aufrecht erhalten können, aber wir suchen sie immer wieder neu.
Wir verbinden uns außerdem auf diese Weise auch mit jener inneren Quelle von Kreativität und Energie, die wir Intuition nennen. Anstatt uns vollständig in den Worten des anderen zu verlieren, bleiben wir offen für hilfreiche Ideen und Impulse, die aus unserem Inneren kommen.
Gib nicht alles!
Man könnte meinen, mit diese Art des Zuhörens würden wir uns unserem Gegenüber nicht ungeteilt zuwenden. Das ist auch so. Ein Teil unserer Aufmerksamkeit bleibt stets bei uns. Aber paradoxerweise ermöglicht es genau diese Haltung, uns auf besonders intensive Weise unserem Gegenüber zuzuwenden. Wir erfahren dann: Wer präsent bei sich selbst ist, kann sein Gegenüber in der Kommunikation besser und klarer wahrnehmen. Diese Wahrnehmungsebene liegt tiefer als die Ebene der Worte und wirkt zugleich positiv und unterstützend auf diese zurück.
3. Wir akzeptieren und nehmen an, was da ist
Wenn wir in der Kommunikation gleichzeitig bei unserem Gegenüber sind und auch bei uns selbst, bemerken wir manches, was vorher nicht sichtbar war für uns. Dass wir nämlich, noch während der andere spricht, urteilen, bewerten, kritisieren oder ablehnen. Im Sinne einer smarten Kommunikation ist das wenig hilfreich. Bemerken wir dieses Verhalten, gehen wir mit diesen Gefühlen und Gedanken um, wie wir das immer tun. Wir nehmen den Impuls wahr, aber wir folgen ihm nicht. Natürlich könnten wir unseren kritisierenden Gedanken und Gefühlen auch freien Lauf lassen und sie laut aussprechen, aber in der Regel verändert sich dadurch nichts zum Positiven. Im günstigsten Falle gesteht mein Gegenüber auf meine Kritik ein halbherziges „Du hast ja eigentlich recht …“ ein.
Wenn wir es allerdings schaffen, die bewertenden und urteilenden Impulse durch Beobachten im Zaum zu halten, kann sich auch eine Kommunikation über unangenehme oder schwierige Anlässe in ein konstruktives Miteinander verwandeln.
Annehmen: heißt das, zu allem „Ja“ zu sagen?
Akzeptanz ist einer der mächtigsten Veränderungsfaktoren, die wir in der Kommunikation zur Verfügung haben. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir von nun alles gut finden, was der andere sagt oder tut. Aber wenn wir unsere Meinung sagen oder Kritik anbringen, dann tun wir dies nicht aus einem ärgerlichen oder rechthaberischen Impuls heraus. Im Gegenteil: Wir warten ab, bis sich unser innerer Wellengang beruhigt hat, bevor wir etwas sagen oder einen Sachverhalt beurteilen. Wenn wir auf diese Weise kommunizieren, stellen wir fest, dass unsere Kommunikation eine höhere Qualität hat. Zudem gilt: Wer sein Gegenüber akzeptiert, findet in der Regel eher Akzeptanz für seine eigenen Äußerungen.
4. Wir kommunizieren in einer wertschätzenden Haltung
Im Gespräch und auch zu anderen Kommunikationsanlässen fällt es uns vergleichsweise leicht, Kritik zu äußern und Negatives bzw. Defizite zu benennen. Demgegenüber fällt es uns schwer oder wir vergessen es einfach, positive Wahrnehmungen und Sachverhalte anzusprechen, die unser Gegenüber betreffen. Gerade in eingefahrenen Situationen zwischen Kommunikationspartnern hat sich die kritische Perspektive oft zu einem zähen Brei verfestigt. Es kann helfen, sich ganz bewusst vorzunehmen, auch das Positive, das uns am anderen auffällt, wahrzunehmen und auszusprechen. Ein solches „Ja“, ehrlich gemeint, bewirkt Wunder für das Verstehen in der Kommunikation. Wie diese Wertschätzung dann konkret aussieht, ist im Einzelfall unserer Phantasie und Aufmerksamkeit überlassen.
Zu einer solchen Wertschätzung bedarf es keines besonderen Anlasses. Jeder Gesprächspartner freut sich über positive Töne. Zudem hilft es, unsere häufig einseitig kritische Perspektive zu erweitern.
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