Rechnen sich Trainings für Achtsamkeit in Unternehmen?
Studien in entsprechenden Datenbanken belegen: Trainings, die gestressten Menschen Achtsamkeit vermitteln, sind signifikant erfolgreich. Die Mitarbeiter kommen nicht nur mit Stress erheblich besser klar. Sie gewinnen definitiv Gesundheitsvorteile. Umgekehrt kosten Mitarbeiter, die stressbedingt ausfallen, bundesweit jedes Jahr Milliardenbeträge.
Deshalb buchen HR-Abteilungen jetzt in riesiger Zahl Trainings für Achtsamkeit in Unternehmen. Angesichts der großen Nachfrage sehen sich viele Achtsamkeitstrainer bereits vom Burnout bedroht … ähem, kleiner Scherz!
Achtsamkeit in Unternehmen: Die Realität stellt sich anders dar
Tatsächlich sieht die Realität etwas anders aus: Obwohl Wissenschaft und Forschung das Achtsamkeitstraining deutlich positiv beurteilen (z.B. hier), reagieren Unternehmen auf dieses Angebot zurückhaltend. Woran liegt das? Schließlich gilt das Achtsamkeitstraining nicht nur als außerordentlich wirksam sondern auch als effizient: Ein einzelner Trainer kann bis zu 15 Teilnehmer trainieren und die Seminare gelten als „highly customizable“, passen sich also nach Zeit und Inhalt variabel an die Bedürfnisse des Kunden an. Sieht man allerdings genauer hin, lässt sich die Differenz zwischen einem viel versprechenden Angebot auf der einen Seite und der zurückhaltenden Nachfrage auf der anderen Seite durchaus erklären. Dazu 3 Perspektiven:
Achtsamkeitstraining – Angriff der Räucherkerzen?
Zum einen haftet dem Thema Achtsamkeit immer noch ein Hauch von esoterischer Wohlfühlgruppe an. Immerhin hat ein Großteil der Achtsamkeitsübungen, zum Beispiel im mbsr-Training, ihre Wurzeln in spirituellen Traditionen. Was viele nicht wissen: Achtsamkeitstrainings nutzen diese Techniken und Methoden heute völlig lösgelöst von Religion, Glaube und Esoterik. Ein Bodyscan oder eine Sitzmeditation wirken ganz für sich – religiöse Haltungen und Einstellungen sind in modernen Achtsamkeitstrainings kein Thema.
Achtsamkeitstraining: Goldgräberstimmung unter den Trainern
Eine weitere Hürde für Achtsamkeitstrainings könnte der Prozess der Vermittlung sein. Wenn nämlich dem gebuchten Referenten der Transfer in die Unternehmenswelt nicht gelingt. Die Methoden der Achtsamkeit müssen so in den Unternehmensalltag übersetzt werden, dass die Angesprochenen den Eindruck gewinnen: „Ja, so passt das auch für uns!“ Alles andere wirkt nicht lange nach.
Aber das setzt bei der Referentin ein Verständnis für die speziellen Arbeitszusammenhänge und Belastungssituationen der Zielgruppe voraus. Zudem muss die Trainerin erwartbare Vorbehalte gegen das zunächst Fremde aufnehmen und ausräumen (s. oben:“Räucherkerzen“). Hier leistet zum Beispiel ein informativer Ausflug in die jüngeren Erkenntnisse der Neurowissenschaften gute Dienste. Ist die Neugier auf diese Weise erstmal geweckt bzw. Vorbehalte ausgeräumt, sind die Mitarbeiter meist schnell bereit, sich auf Neues einzulassen.
„Achtsam“ ist das neue „systemisch“ – und das ist nicht nur gut.
Seit der Jahrtausendwende wurde das Prädikat „systemisch“ zunehmend zum verbalen Türöffner in den Weiterbildungsabteilungen der Unternehmen. Mittlerweile aber schickt sich die Vokabel „Achtsamkeit“ an, den Staffelstab zu übernehmen. Angesichts dieser Entwicklung ist es nachvollziehbar, dass entsprechend viele Weiterbildner von dem Boom profitieren wollen, nämlich mit Trainings für Achtsamkeit. Die notwendige professionelle Durchdringung des Themas kann schnell zur Nebensache geraten, wenn es darum geht, sich flink im Markt zu positionieren. Beherrscht aber ein Trainer seine Materie nicht, kann ein gestartetes Trainingsprojekt leicht scheitern. Das Thema Achtsamkeit in der Weiterbidlung ist für dieses Unternehmen dann erst einmal auf längere Zeit tabu.
Trainings für Achtsamkeit in Unternehmen klug einführen
Weitere Gründe lassen sich anführen, warum sich das Thema Achtsamkeit im privatwirtschaftlichen Bereich noch nicht entsprechend seiner Qualität etablieren konnte. Zu sprechen wäre über (ernst zu nehmende) Vorbehalte des Betriebsrats, über vorsichtig agierende HR-Abteilungen und darüber, dass ohne den kräftigen Rückenwind der Führungsspitze des Unternehmens vieles schwieriger ist.
In einem weiterführenden Artikel erläutern wir die Stufen, auf denen ein Achtsamkeitstraining auf smarte Weise im Unternehmen eingeführt werden kann. Wir nutzen in unserem Beispiel das derzeit bekannteste Training dieser Art, genannt mbsr (= mindfulness based stress reduction).
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zum Thema Achtsamkeit in Unternehmen? Kontaktieren Sie uns gerne zu einem unverbindlichen Gespräch.
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